Farbschattierungen in der Schwangerschaft – Über die Intuition zur Prävention
Kerstin Betzold
Zusammenfassung
Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit die Kunsttherapie im präventiven Sektor einen Beitrag zur Stressreduktion bei Schwangeren leisten kann, und liefert mit dem hier vorgestellten Workshop ‚Farbschattierungen in der Schwangerschaft’ gleich eine Lösungsantwort dazu.
Die wissenschaftlichen Erkenntnisse bezüglich stressprovozierender Themen schwangerer Personen sind so umfangreich, dass die Frage mittlerweile nicht mehr lautet ob, sondern welche vorbeugenden Maßnahmen wirkungsvoll in den Alltag Gebärender integrierbar sind? Mit dem ambulanten Workshop-Konzept wurde acht schwangeren Personen über einen Zeitraum von acht Wochen ein stressfreieres, mit Ressourcen angereichertes Erleben ihrer Schwangerschaft ermöglicht. Auf lange Sicht wäre es wünschenswert, mittels gerichteter, kreativer Interventionen gesamtgesellschaftlich sowie auch zukünftige Generationen betreffend, eine Entlastung zu generieren.
Schlüsselwörter: Kunsttherapie, Kreativität, Prävention, Schwangerschaft, Stress, Ressourcen, Workshop
100 shades of color – about the intuition for prevention in art therapy
Abstract
This article deals with the question to what extent art therapy in the preventive sector can contribute to reducing stress in pregnant people and provides a solution to this with the workshop presented here, ‘100 shades of color’.
The scientific findings regarding stress-provoking topics for pregnant people are so extensive that the question is no longer whether, but which preventive measures can be effectively integrated into the everyday life of the person giving birth?
With the outpatient workshop concept, eight pregnant people were able to experience their pregnancy with less stress and more resources over a period of eight weeks. In the long term, it would be desirable to use targeted, creative interventions to generate relief for society as a whole and also for future generations.
Keywords: art therapy, creativity, prevention, pregnancy, stress, resources, workshop
Über die Intuition zur Prävention
Die einleitende Aufgabenstellung der Vorlesung „Wissenschaftliches Arbeiten“ im Rahmen meines Kunsttherapie-Studiums an der Sigmund Freud-PrivatUniversität lautete sinngemäß:
„Macht einen kleinen Spaziergang mit den Gedanken ‚Für welches Masterarbeitsthema brenne ich?‘ Hebt dabei auf, was euch vor die Füße fällt, und gestaltet damit ein Bild!“
Meine erste, intuitive Assoziation „Aschenputtel und die drei Zaubernüsse“ wurde gleich zu Beginn ernüchtert; wohnhaft in Berlin-Kreuzberg fiel mein erster Blick anstelle der erhofften Nüsse auf zahlreiche Kronenkorken direkt vor meiner Haustür.
Die Prozessgedanken in der anschließenden Gestaltung ebneten dennoch den Weg zu dem im Rahmen meiner Masterarbeit entwickelten kunsttherapeutischen Workshop:
Kronenkorken – Krönung – Die „Krönung“ meines Lebens bisher? Meine beiden wundervollen Kinder – So verschieden – Bereits die Schwangerschaften ganz unterschiedlich – Viele Sorgen und Komplikationen – Was hätte es damals gebraucht?
Die Kunsttherapie als präventive Intervention in der Schwangerschaft war in meinen Gedanken geboren. Anschließende Recherchen ergaben recht schnell, dass die kunsttherapeutischen Maßnahmen auf diesem Sektor noch in den Kinderschuhen stecken und der Wunsch in mir, einen Beitrag zum Voranbringen dieser zu leisten, begann rasch zu wachsen.
Weitere intensive Nachforschungen mündeten schlussendlich in das ambulante, präventiv orientierte Workshop-Konzept „Farbschattierungen in der Schwangerschaft“. Im Folgenden werden die relevantesten Themenschwerpunkte, die als Basis dienen, beschrieben.
Schwangerschaft
„Eine Schwangerschaft ist für eine schwangere Person und ihr privates Umfeld eine sehr prägende und besondere Zeit, die mit den vielfältigsten Gefühlen und Themen einhergeht.“ (Betzold, 2022)
In dem Fachbuch „Psychotherapie in der Frauenheilkunde“ (Alder & Urech, 2014) wird beschrieben, dass neben Vorfreude, Hoffnung und dem Gefühl puren Glücks häufig auch Stress, Sorgen, Ängste und Unsicherheiten auftreten, den anstehenden Herausforderungen nicht gerecht werden zu können. Weiter erklären die Autorinnen, dass vermutlich kein anderes Lebensereignis mit einer so großen Bandbreite an unterschiedlichen, intensiven und auch widersprüchlichen Gefühlen einhergeht, wie das einer Schwangerschaft (a.a.O.).
Im Rahmen dieses Artikels werden die Stressoren einer Schwangerschaft lediglich in reduziertem Umfang aufgeführt, denn Fakt ist:
Es existiert eine große Anzahl an wissenschaftlichen Studien, die belegen, dass Schwangere einem enormen Ausmaß an multifaktoriellen Störfaktoren ausgesetzt sind, die zu einer Dysbalance des gesamten Organismus führen können. Bereits die aufkommenden, psychischen Themen können gravierende Auswirkungen auf die Schwangerschaft haben.
Die psychologische Psychotherapeutin Almut Dorn und die Psychiaterin und Psychotherapeutin Anke Rohde analysieren den historischen Wandel der Geburtenrate in Deutschland von bis zu zehn Kindern pro gebärender Person im letzten Jahrhundert hin zu dem Wert 1.6 Kinder in 2019 folgendermaßen:
„Die Wünsche haben sich vom ‚Überleben‘ deutlich verschoben hin zu einer frohen, aber auch hohen Erwartung an das Erleben von Schwangerschaft und Mutterzeit, die sich leider nicht immer erfüllt.“ (Dorn & Rohde, 2021)
Die Schwangerschaft geht zusätzlich erschwerend mit einem gewissen Maß an Kontrollverlust einher. Beispielsweise muss in dieser Zeit die unweigerliche Veränderung des Körpers zum Teil passiv akzeptiert werden (Martius et al., 2008).
Auch konkurriert nun eventuell die neue Rolle, die die Schwangere als werdendes Elternteil einnimmt, mit der vorherigen Rolle als exklusiver Partner_in (a.a.O.).
Das Fehlen eines Partners, auch als bewusste Entscheidung, erweitert das Spektrum an aufkommenden Emotionen ebenfalls.
Es kann Unsicherheiten, Ängste, das Fehlen gesellschaftlicher Akzeptanz und Integration begünstigen.
Auch belegen internationale Untersuchungen den Wunsch zahlreicher Frauen, sich sowohl beruflich als auch in der Familie zu verwirklichen. Ihr Idealbild ist eine Frau, die „eine Mischung aus guter Mutter und Ehefrau“ verkörpert und gleichzeitig ihren individuellen Interessen in einem Beruf nachgeht (Jacobi, 2005).
Leider ist es eine Tatsache, dass Frauen bis heute in unserer Gesellschaft bereits früh in ihrer freien Entfaltung in Bezug auf angestrebte Lebensperspektiven gehemmt werden. Häufig stellen sie die Erwartungen der anderen vor ihre eigenen Bedürfnisse und übernehmen die Werte der sie umgebenden Autoritätspersonen. Daraus folgt unter anderem das Abhandenkommen ihrer Intuition. Dieser innere Konflikt kann zu Identitäts- und Autonomieverlust führen (a.a.O.).
Eine Schwangerschaft führt ebenfalls häufig dazu, dass eigene Emotionen und die der Umgebung viel intensiver gefühlt werden, eine größere Nähe zur Intuition wird wiederbelebt (Northrup, 2010).
Ein daraus resultierendes Erkennen der jahrelangen Verleugnung individueller Bedürfnisse und Ressourcen kann zusätzlich Stress als Auswirkung in dieser vulnerablen Phase auslösen.
Eine Schwangerschaft stimuliert zudem auf einer zutiefst unbewussten Ebene die eigene pränatal erlebte Mutter-Kind-Bindung. Sie öffnet gewissermaßen das Tor zum eigenen pränatalen Symbiosetrauma (Schultze-Kraft, 2014).
Dieser kleine Ausschnitt verdeutlicht meines Erachtens bereits den internen sowie den externen Druck, dem Schwangere unterliegen, und lässt eine Hilfestellung unumgänglich erscheinen.
Prävention – „Vorsorge ist besser als Nachsorge“
Normalerweise stehe ich überlieferten Sprichwörtern eher kritisch gegenüber, so beinhalten sie häufig Anweisungen oder „Warnungen“, die nicht zeitgemäß oder allgemeingültig sind.
Die ursprüngliche Weisheit „Vorsicht ist besser als Nachsicht“ (Nachsehen) trifft es meiner Meinung nach, wenn auch in abgewandelter Form, jedoch auf den Punkt:
„Vorsorge ist besser als Nachsorge“.
Sogenannte Früherkennungsuntersuchungen haben mittlerweile einen festen Platz im Gesundheitswesen eingenommen. Ob beispielsweise im dermatologischen, onkologischen oder gynäkologischen Sektor, ab einem gewissen Alter oder während einer besonderen Lebensphase, werden wir angehalten und durch Krankenkassen bezuschusst, bestimmte Untersuchungen vorsorglich durchführen zu lassen. Aus dieser Haltung heraus wurde im Juni 2015 das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (kurz PrävG) verabschiedet (Bundesministerium für Gesundheit, Stand: Juli 2022).
Als allgemeine, soziotherapeutische und präventive Maßnahmen gelten alle nicht psychotherapeutischen Interventionen, die unter anderem die Aktivierung von intra- und interpersonellen, sozialen und materiellen Ressourcen fördern und den Umgang mit Belastungen dadurch erleichtern würden (Alder & Urech, 2014).
Im medizinischen Sinne wird die Prävention als alle vorbeugenden Maßnahmen in der Gesundheitspflege, deren Spektrum von der Ausschaltung schädlicher Faktoren bis zur Begrenzung von Krankheitsfolgen definiert werden kann, formuliert (Martius et al., 2008).
Es geht dabei um eine aktive Mitgestaltung und Hinwendung zu objektiven und/oder subjektiv empfundenen Missständen, um durch eine konstruktive Haltung ins selbstbestimmte Handeln zu gelangen (a.a.O.).
Eingeteilt wird die Prävention in drei Formen: die Primär-, Sekundär- sowie Tertiärprävention.
Unter die primären Präventionsziele fallen alle Interventionen, die zur Verminderung sozial bedingter sowie geschlechtsbezogener Ungleichheit von Gesundheitschancen beitragen.
Schwangere Personen fallen als Zielgruppe „werdende Familien“ unter die 2018 verabschiedeten bundeseinheitlichen Rahmenempfehlungen zur Gesundheitsförderung und Prävention (GKV-Spitzenverband, 2020).
Insbesondere für das hier vorliegende kunsttherapeutische Präventionskonzept von Interesse sind die zur Ressourcenstärkung eingebundenen Achtsamkeits- und Resilienzmaßnahmen (a.a.O.).
Psychologen schreiben widerstandsfähigen Menschen eine hohe Selbstwirksamkeit zu. Darunter wird die Selbsterkenntnis verstanden, gezielt Einfluss auf die Welt nehmen zu können (Berndt, 2014), um dadurch einen erleichterten Umgang mit schädlichen Faktoren, wie beispielsweise Stress, zu erlangen.
Es ist also vermutlich nicht der Stress an sich, oder nicht nur, der zu einem Ungleichgewicht führen kann, sondern seine individuelle Bewertung und die vorhandene Resilienz, mit der ihm entgegentreten werden kann.
Doch wie gelingt eine Um- oder Neuprogrammierung hin zu einer größeren Gelassenheit und Stärkung der eigenen Resilienz?
Die Kinder- und Jugendärztin, Dr. Easwaran, die seit Jahren schwangere Frauen und Mütter begleitet, merkt an, dass Gewohnheiten, die wir uns in den Jahren angeeignet haben, in bestimmten Hirnarealen abgespeichert werden (Easwaran, 2020).
Es bedarf demnach eines gewissen Zeitraums, diese erlernten Verhaltensmuster nachhaltig auszubessern.
Wissenschaftliche Studien in 2010 ergaben, dass der Zeitraum, den Menschen für eine Umprogrammierung ihrer bestehenden Gewohnheiten benötigen, zwar recht individuell ist, jedoch auf eine durchschnittliche Erfolgsdauer von ungefähr zwei Monaten berechnet werden kann (Lally et al., 2010).
Diese daraus resultierende, gesteigerte Resilienz kann nun das Aufrechterhalten des dynamischen Gleichgewichts, die Homöostase, die unter anderem durch das limbische System gewährleistet wird, unterstützen.
Das limbische System wiederum ist, unter anderem, an der Fantasie und Kreativität beteiligt, was den Lösungsansatz einer Verknüpfung von stärkenden, präventiven Maßnahmen zur Ausbalancierung mittels kreativer Interventionen als sinnvoll erscheinen lässt.
Nun haben wir im vorangegangenen Text erfahren, dass zur Prävention alle nicht-therapeutischen Interventionen zählen.
Wie kann man die Umsetzung der Kunsttherapie in diesem Fall durchführen, ohne die Konsequenz einer Verflachung derer in Kauf nehmen zu müssen?
Das „implizite“ und „explizite“ Lernen
Aus einer Studie von 2017 geht hervor, dass eine reine Psychoedukation bei den Teilnehmer_innen nicht den gewünschten Erfolg wie den, welche die Kunsttherapie-Vergleichsgruppe aufwies, erbrachte (Ünsalver & Sezen, 2017). Das ist vermutlich damit zu erklären, dass diese bewusste Lernform, also das explizite Lernen, allgemein als eher unattraktiv bewertet wird (Schonert-Hirz, 2009). Wir haben bereits früh gelernt, dass diese Art der Wissensaneignung an Zeit- und Prüfungsdruck sowie weitere, ungeliebte Gegebenheiten gebunden ist, und reagieren innerlich mit Ablehnung (a.a.O.).
Jedoch rückt heutzutage der Fokus auf die unterstützenden Maßnahmen zur Selbstorganisation durch Stärkung der Lern- und Coping- Effekte, die aus einer ressourcenorientierten Vorgehensweise resultieren (Betzold, 2022).
Sollte der Augenmerk zum Erlangen positiver Effekte dann vielleicht besser über den impliziten Lernweg, der zweiten Lernform neben der expliziten des Menschen, generiert werden?
Peter Sinapius (2012) beschreibt die implizite Denkweise als den Moment des Gewahrseins, also den Gegenwartsmoment (a.a.O.). Das implizite, also das leibliche Gedächtnis …
„[Es] … vergegenwärtigt nicht die Vergangenheit, sondern erhält sie als gegenwärtig wirksame in sich. Es führt nicht zurück zum Vergangenen, sondern bedeutet im Gegenteil die Möglichkeit, sich einer neuen Gegenwart zuzuwenden.“ (Fuchs, 2000)
Weiter schreibt Fuchs:
„Die Gestalt, der Sinn und die Bedeutung, die das Gesehene, Gehörte oder Getastete hat, wird wesentlich durch die angesammelte Erfahrung bestimmt. Wahrnehmen ist implizites Erinnern und geprägt von unserer leiblichen Geschichte.“ (a.a.O.)
Ebenfalls ein Teil des impliziten ist das prozeduale Gedächtnis, in welchem beispielsweise Handlungsabläufe wie das Gehen oder Radfahren abgespeichert werden. Es handelt sich hierbei also um häufig unbewusste Abläufe, die nebenbei passieren und keinerlei Mühe kosten (Schonert-Hirz, 2009).
Über die Wiederholungen des kreativen Tuns (das Reißen von Papier, das Schwingen des Pinsels, das Kneten von Ton etc.) wird eine Automatisierung und Implementierung der Fähigkeit, sich aufkommenden Themen zunächst künstlerisch zu widmen, im prozedualen Gedächtnis erhofft.
Im Idealfall gelingt eine Verschmelzung, in der das explizite Lernvermögen unterschwellig Teil einer größtenteils impliziten, spielerischen Form der Wissensvermittlung beziehungsweise Ressourcenanreicherung wird.
Die ressourcenfokussierte Kunsttherapie
Flora von Spreti (2005) beschreibt, dass erlernte Fähigkeiten, Interessen, soziales und berufliches Umfeld, Werte, Freizeitverhalten sowie individuelle Neigungen wichtige Determinanten in der persönlichen Auseinandersetzung und Analyse mit den eigenen Ressourcen seien (a.a.O.).
Sie werden allerdings erst auch als solche von der Person erkannt, akzeptiert und umgesetzt, wenn sie passend und nützlich erscheinen und dem emotional-kognitiven, individuellen Bewertungssystem entsprechen (Schubert & Knecht, 2015).
Der Soziologe Professor Hartmut Rosa beschreibt, dass Ressourcen vermutlich nur dann fruchten, wenn es uns gelingt, mit ihnen in Resonanz zu gehen:
„Folgt daraus nicht […], dass das gelingende Leben durch offene, vibrierende, atmende Resonanzachsen gekennzeichnet ist, die die Welt tönend und farbig und das eigene Selbst bewegt, sensitiv, reich werden lassen?“ (Rosa, 2019)
Die Vielseitigkeit der kunsttherapeutischen Interventionen, Materialien und Bereiche gewährleisten ein breites Spektrum an Lösungsangeboten, um sich individuell, ohne Druck von außen, seinen Themen und darauf folgend seinen Ressourcen anzunähern.
Über die Verbildlichung, Symbolisierung und Farbe kann ein besser spürbarer, sinnlicher Zugang zu den eigenen Ressourcen geschaffen werden. Es geht dabei weder um Leistungsdruck noch um Optimierung, sondern um eine indirekte Erkenntnis, die direkt über den Körper und die Gefühle erlebbar wird. Es wird erhofft, dass sich der/die Klient_in dadurch selbstwirksam in eine Bewusstmachung begibt, die im weiteren Verlauf eine Hilfestellung bieten soll, eventuell aufgetretene Bedürfnisse oder auch individuelle Stärken zu erkennen, um sie im Anschluss zu verinnerlichen, zu integrieren und auch zukünftig selbstbestimmt abrufen und einsetzen zu können (Betzold, 2022).
Das wirklich Wunderbare und Heilsame an der Kunsttherapie beschreibt der Psychologe und Verhaltensmediziner Joseph W. Egger mit der Tatsache, dass ihre Wirkung sich, je nach Ausgangslage, nach dem Bedarf richtet (Egger, 2020). Im Idealfall folgt nach einer erfolgreichen kunsttherapeutischen Intervention auf große Anspannung eine Entspannung, auf Aufregung Beruhigung oder auch eine Bestätigung der empfundenen Gelassenheit (a.a.O.).
Durch das Gestalterische in der Kunsttherapie kann eine wirksame Hilfestellung geleistet werden, Belastendes zu visualisieren, um es im Anschluss bearbeiten und loslassen zu können und eine Resilienz gegenüber den zukünftig aufkommenden Widerständen zu entwickeln.
Eine 2017 durchgeführte Studie belegt ergänzend, dass es nicht allein die Kunst ist, die zu dem erwünschten Ziel der Selbstwirksamkeit, Selbsteinschätzung sowie der positiven Stimmung beiträgt, sondern diese erst im Zusammenhang mit einer durch eine_n Kunsttherapeut_in angeleitete Sitzung ihre volle Wirksamkeit entfalten kann (Kaimal et al., 2017).
In der präventiven „Arbeit“ mit Schwangeren erscheinen mir diese formulierten Ziele besonders wichtig, kommen sie nicht nur der schwangeren Person zu Gute, sondern ermöglichen ebenfalls dem/den Ungeborenen einen unbeschwerteren Start auf dieser Welt.
Dies wird auch durch folgende Erkenntnisse aus einer Studie von 2016 untermauert: Ahnenstress-assoziierte Veränderungen der epigenetischen Programmierung in Bezug auf ein vermindertes Coping-Verhalten bei Stress ist zwar vererbbar auf die nächsten Generationen, allerdings umgekehrt, durch eine angereicherte Umgebung, also durch Aufwertung von förderlichen Beschäftigungen, reversibel (McCreary, 2016).
Bei dem Wort „Programmierung“ kommt mir das Wort Gravur als Assoziation in den Sinn. Je härter das zu gravierende Material, desto schwerer ist es, eine Spur zu hinterlassen. Ähnlich verhält es sich vermutlich mit der Resilienz in Bezug auf epigenetische Veränderungen: Je resilienter eine Person ist, umso schwieriger wird es sein, sie aus ihrer Balance zu bringen und die genetischen Anlagen zum negativen hin zu verändern.
Ziele des Workshops „Farbschattierungen in der Schwangerschaft“
Neben der benannten Ressourcenanreicherung ist ein weiteres Ziel, die intime Verbindung zwischen gebärender Person und ihrem/ihren ungeborenem/en Kind/ern während der Zeit der Schwangerschaft zu festigen sowie einen Raum zu schaffen, metaphorisch deren individuelle Farbpalette zu finden, sie zu erweitern und im besten Fall über den Workshop hinaus, in den Alltag zu integrieren.
Der Titel wurde zur Verdeutlichung der Verknüpfung künstlerischer Elemente mit den multifaktoriellen Themen einer Schwangerschaft gewählt.
So wie die Farben besteht ebenfalls das (entstehende) Leben im übertragenen Sinn, nicht nur aus den „Primärfarben“ blau, rot und gelb oder ist gar nur schwarz oder weiß, sondern weist die unterschiedlichsten, vielfältigsten Nuancen und Schattierungen auf, die es zu entdecken, wertschätzen, ausprobieren und implementieren gilt. Weitere wichtige Ziele sind:
- Empowerment/Partizipation
Das zum Teil lähmende Gefühl der Hilflosigkeit, bestimmte Gegebenheiten aktuell nicht beeinflussen zu können, soll durch Aufzeigen der partizipatorisch veränderbaren Parameter abgemildert werden und so zu einem stressfreieren Erleben des Alltags beitragen.
- Kompetenzen fördern
Die kunsttherapeutischen Hilfestellungen bieten in diesem Kontext die Möglichkeit, über individuelle Methoden ins aktive Handeln zu kommen. Es sollen so die eigenen Ressourcen entdeckt und/oder aktiviert und eine neue Kompetenz geschaffen werden.
- Ein Gefühl der Selbstwirksamkeit ist ein weiteres wünschenswertes Ziel. Den Begriff der Selbstwirksamkeit entwickelte der Psychologe Albert Bandura bereits in den 1970er Jahren. Er beschreibt den großen Mehrwert, der bei Menschen entsteht, die das Gefühl der Kontrolle über die eigenen Handlungen und deren Auswirkungen haben (Bandura, 1977).
- Austausch/Solidarität
Die gewählte Umsetzung in Form eines Workshops kann einen zusätzlichen Austausch ermöglichen. Das gemeinsame Gestalten kann förderlich sein, sich nicht allein mit seinen Sorgen und Themen zu fühlen. Unter „Gleichgesinnten“ kann der künstlerische Ausdruck eine effektive Möglichkeit bieten, sich zu öffnen (Aissen-Crewett, 2002). Der gewählte kunsttherapeutische Ansatz spielt vermutlich eine wichtige Rolle für die gemeinsame Identifikation und Verbundenheit. Im Idealfall kann ein neues Netzwerk entstehen, das auch über den Workshop hinaus hilfreiche Unterstützung und inspirierende Weiterentwicklung bietet. Eine Anzahl von acht Teilnehmer_innen sollte nicht überschritten werden, um genügend Raum für individuelle Bedürfnisse zu gewährleisten und eine intime Atmosphäre zu schaffen, in der die Schwangeren den Mut haben, sich zu öffnen.
- Implementierung
Es wäre eine wünschenswerte Perspektive, dass sich die Teilnehmer_innen auch im Anschluss an den Workshop mittels kreativer Tätigkeiten im privaten Bereich Erleichterung beziehungsweise Bestätigung ihrer erlangten Kompetenzen verschaffen können, indem aufkommende Themen oder steigender Stress visuell umgesetzt und damit klarer erkennbar werden. Auf die, in dem Workshop erworbenen, kreativen Ausdrucksquellen soll im Nachhinein zurückgegriffen werden können, was idealerweise eine souveräne Lebensgestaltung ermöglichen soll.
Rahmenbedingungen und Auswertung
Angeschlossen an die Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin wurde unter Leitung von Psychotherapeut, Kunstpsychologe und Hochschullehrer Professor Georg Franzen die Lehr- und Forschungsambulanz in Berlin errichtet. Es handelt sich hierbei um eine Behandlungs-, aber auch Forschungseinrichtung, die unter anderem die kunsttherapeutischen Wissenschaften und Professionen vorantreibt. Professor Franzen ermöglichte durch seine positive Zusage, dass das Workshop-Konzept „Farbschattierungen in der Schwangerschaft“ in die Präventions-Kursliste der Ambulanz integriert und im Atelier der Uni umgesetzt werden konnte.
Über einen Zeitraum von acht Wochen wurde somit acht Teilnehmer_innen einmal wöchentlich in einem ambulanten Rahmen die Möglichkeit geboten, sich mittels kunsttherapeutischer Interventionen auszudrücken.
Um eine Teilnahme auch für berufstätige Schwangere zu gewährleisten, wurde der Beginn auf 17 Uhr angesetzt, die anfänglich anberaumte Durchführungsdauer von 90 Minuten erwies sich aufgrund der zusätzlichen, administrativen Komponenten als zu kurz, woraufhin eine 30-minütige Verlängerung eingeplant wurde.
Trotz des pandemischen Geschehens im Zeitraum der Planung, Akquise und Durchführung des Workshops konnte die Maximalanzahl von acht Teilnehmer_innen generiert werden. Eine Covid-19-Schnelltestung vor jeder Einheit leistete einen zusätzlichen Beitrag, das Atelier als sicheren Ort wertzuschätzen.
Um eine vollumfängliche Fokussierung auf die Prozesse der Teilnehmerinnen zu ermöglichen und etwaige Hilfestellungen einzelner gewährleisten zu können, wurde ich durch meine Kommilitonin Gina Jürgensen unterstützt. Zusätzlich verhalf ihre Anwesenheit, die von Themen zum Teil regelrecht geschwängerte Atmosphäre regelmäßig im Nachgang supervisorisch zu beleuchten.
Die aufeinander aufbauenden Interventionen sollten, indem sie thematisch ineinandergreifen, eine persönliche Weiterentwicklung der Klient_innen begünstigen. Um flexibel auf unvorhersehbare Vorkommnisse reagieren zu können, wurden einzelne Übungen austauschbar gestaltet, um sie, an die beispielsweise variierende Gruppengröße, anpassen zu können.
Die Auswertung der Workshop-Interventionen im Rahmen der Masterarbeit wurde auf zweidimensionale Weise umgesetzt. Eine Kombination aus Analyse von Wort und Bild erschien, auch aufgrund der immer wieder erwähnten, notwendigen Balance, stimmig.
Die entstandenen Werke wurden anhand des „OPER“-Bildanalyseverfahren nach Eberhart und Knill (2010) analysiert, das „themenzentrierte Interview“ von Ariane Schorn (2000) sollte mittels der Leitfrage bezüglich der persönlich empfundenen Entlastung durch den Workshop die Ergebnisse unterfüttern.
Der vorgegebene Umfang der Masterarbeit machte eine qualitative Auswertung der kunsttherapeutischen Interventionen, Prozesse und entstandenen Werke aller Teilnehmerinnen nicht möglich. Aus diesem Grund wurde die Analyse auf zwei Teilnehmerinnen, die eine möglichst große Schnittmenge an „neutralen Vergleichsparametern“ aufweisen, beschränkt.
Der Beeinflussung der Ergebnisse durch augenscheinlich besonders günstige Verläufe wurde so ebenfalls entgegengewirkt.
Die „auserwählten“ Teilnehmerinnen „X“ und „Z“ sind beide partnerlos, durch eine künstliche Befruchtung schwanger geworden. Sie waren zum Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft in ihren Enddreißigern und hatten beide bereits eine Fehlgeburt durchlebt. Beide waren an allen acht Workshoptagen anwesend.
An dieser Stelle soll abschließend die Integration des quantitativen Messinstruments, dem Mehrdimensionalen Befindlichkeits-Fragebogen von Steyer, kurz MDBF, der seitens der SFU zur Verfügung gestellt wurde, Erwähnung finden. Da die aktuelle Befindlichkeit ein träger, meist im Hintergrund ablaufender, biopsychologischer Prozess ist, kann sie, bei Bedarf, ins Bewusstsein gerückt und individuell in einer Momentaufnahme bewertet werden (Steyer et al., 1997).
Dieses „Befindlichkeit-Messinstrument“ dient der Abfrage der drei „Stimmungslagen“ Gute – Schlechte Stimmung, Wachheit – Müdigkeit sowie Ruhe – Unruhe.
Es eignet sich sowohl für Einzel- als auch für Gruppensitzungen und kann ebenfalls eindimensional betrachtet werden. Es könnte zukünftig die Möglichkeit bieten, wissenschaftliche Nachweise über eine Optimierung des Wohlbefindens einer größeren Anzahl von Workshop- Teilnehmer_innen zu generieren.
Visuelle Verlaufskontrolle mittels PANTONE®-Farbkarten
Zur Einleitung des ersten sowie des letzten Workshoptages wurde anhand einer geleiteten, zehnminütigen Imagination ein erleichterndes und intensiveres Eintauchen in die Welt der Farben ermöglicht, um im Anschluss daran, anhand der PANTONE®-Postkarten, eine erweiterte Fortführung der Auseinandersetzung des Themas „Farben“ anzuknüpfen. Der sanfte Einstieg in die eigene Gefühlswelt wurde über die Assoziation mit den Farben erreicht. Die basale Auseinandersetzung mit Farbe allein, verstärkt durch die Imagination, sollte zu einer leichteren Verknüpfung mit einer Emotion führen. Kandinsky beschrieb die psychische Kraft der Farben, die den Gestaltenden, aber auch den Betrachter in eine Gefühlserregung versetzen. Karl-Heinz Menzen nutzt diese Aussage und verdeutlicht die Gefühlserregung mit dem neurologischen Begriff der „Nervenvibrationen“ (Menzen, 2019).
Weiter beschreibt Menzen (a.a.O.), dass unbewusste Wahrnehmung zuverlässiger sein kann als bewusstes Nachdenken. Er erklärt, dass das Gehirn zunächst grundlegende Eigenschaften wie Farbe wahrnimmt und erst in einem zweiten Prozess das Bewusstsein eingreift und zuvor Wahrgenommenes überschreibt (a.a.O.).
Der ursprüngliche, unbewusste Prozess sollte durch die intensive Farbimagination in dieser Eingangsübung verstärkt werden.
Nach dem tiefenpsychologischen Ansatz von C.G. Jung vermutet Ingrid Riedel die Verknüpfung einer bestimmten Farbe mit einer Emotion (Riedel, 1983).
Durch gezieltes Einatmen von Farben und deren bewusstes „Durchfließen“ des gesamten Körpers, wurde eine Verstärkung der Visualisierung und gleichzeitig der Zugang zu den unbewussten Gefühlen erhofft. Am Ende der „Farb- Körperreise“ wurde eine vorherrschende Farbe, die für diesen Moment passend erschien, von jeder einzelnen Teilnehmerin benannt und im weiteren Verlauf durch die bereits ausgebreiteten 100 Postkarten ausgewählt.
Die einfarbigen Postkarten wurden aufgrund der hohen Anzahl unterschiedlichster Farbnuancierungen sowie deren Farbbrillanz gewählt. Anfänglichen, eventuell auftretenden Gestaltungshemmnissen sollte durch das kleine Format von 9.8 cm × 14.4 cm sowie die bestehende Farbvielfalt entgegengewirkt werden. Zusätzlich standen Blanko-Postkarten zum eigenständigen Einfärben im selben Format zur Verfügung.
Es wurde angeregt, die gewählte Farbe mit einem aktuell vorherrschenden Gefühl zu assoziieren und dieses zu benennen.
Anhand des formulierten Gefühlsbegriffs wurden die Teilnehmer_innen animiert, ein „Elfchen“ oder „Haiku“ zu verfassen, mit dem Ziel, ihr Gefühl auf diese Weise zusätzlich auf eine kognitive Ebene zu heben. Auch wurde erhofft, dass die Integration kreativer Schreibprozesse zu einer Verfestigung der Farbwelt im Inneren verhilft.
Der abschließende Vergleich der hierbei entstandenen Farbkarten vom ersten und letzten Workshoptag verhalf zu einer visuellen Verlaufsdarstellung.

Die an Tag eins gestaltete Karte von Teilnehmerin „X“ zeigt einen schweren, zähen Prozess, der sich ebenfalls in der Farbe widerspiegelt (Abbildung 1). Mit „Dunkelgrün-Petrol“, fast schwarz, wird die Farbe benannt, mit dem Ursprung der Farbe ging es ihr auf Nachfrage nicht gut, wohl aber mit der künstlerischen Umsetzung. Das blaue, hervorlugende Quadrat wird mit „Hoffnungsschimmer“ assoziiert, den dunklen Hauptfarbton kann die Teilnehmerin in der Nachbesprechung mit ihrer vorhandenen Bodenhaftung erklären und positiv transformieren, indem sie bemerkt, dass sie so schnell nichts umhauen würde.

An Tag acht strömten während der „Farb- Körperreise“ bunte Pastellfarben durch den Körper von Teilnehmerin „X“, die mit „leicht“ und „verspielt“ benannt wurden. Den Strudel visualisierte sie selbstständig, indem sie mehrere Farbkarten zerschnitt und aneinander legte (Abbildung 2).
Ein stabiles Grundgerüst
Das Grundgerüst der einzelnen Workshoptage wurde wöchentlich wiederholt. Zum Einen sollte dadurch eine Entlastung durch vertraute Muster entstehen, zum Anderen stellte dieser Grundrahmen einen guten Kontrast zu den teilweise unerwarteten und „nicht-alltäglichen“ Aufgabenstellungen der Interventionen dar.
Begleitend zum stabilen Grundgerüst des Workshopablaufs bildete die Integration eines Journals eine weitere Konstante. Diese moderne und kreative Form eines Tagebuchs eignet sich ideal, Gestaltungshemmnisse abzubauen und animiert zusätzlich, auch ungewöhnliche Alltagsmaterialien, wie beispielsweise getrocknete Teebeutel, Bonbonpapier oder auch Naturmaterialien, als Ausdrucksmedium zu wählen. Meine bevorzugte Methode, die der Collage, kommt dadurch ebenfalls regelmäßig und automatisch zum Einsatz. Auch kann die Begleitung des Journals dazu animieren, kreative Prozesse im privaten Umfeld weiterzuführen.
Integration weiterer, ressourcenorientierter Übungen
Collage – „Ich kleb’ mir die Welt, wie sie mir gefällt“
Ein- oder mehrdimensional bietet die Collage vielfältigste Möglichkeiten, sich gestalterisch auszudrücken, bereits Vorhandenes zu Nutze zu machen und eine neue, eigene Sicht auf die Dinge zu projizieren. Peter Sinapius verdeutlicht die therapeutischen Möglichkeiten der Collage, indem er postuliert, dass sie Störungen, Irritationen oder auch Krisen im Leben zu produktiven, erkenntnisreichen Kräften transformieren und dabei gestalterisch kommunikative und soziale Prozesse vorantreiben kann (Sinapius, 2020). Durch den eigenständigen, zum Teil „kleinschrittigen“ Such- und Entscheidungsprozess bezüglich des relevanten Materials für die entstehende Collage stellt sich eine therapeutisch wirksame Autonomieerfahrung ein (Hopf, 2020).
Die DADA-Bewegung brachte eine gewisse satirische Haltung gegenüber der Kunst hinzu, eine Leichtigkeit, die der Kunsttherapie in der Arbeit mit Schwangeren vermutlich gut tut. „Kinderleicht“ seine eigenen Welten kreieren, Kunst spielerisch in den Alltag integrieren und niedrigschwellig experimentieren, kann so zusätzlich zu einer Selbstwirksamkeit beitragen.
Auch Eberhard und Knill beschreiben den Vorteil des „Sich-Entscheiden-Könnens“ durch die vielfältigen Medienangebote einer Collage und sehen diese ebenfalls als förderlich in Bezug auf die Selbstkompetenz des/der Klient_in sowie raumöffnend für ressourcenaktivierende Entscheidungen (Eberhart & Knill, 2010).
Kunst wird auf diese Weise mit dem Alltäglichen des Lebens verknüpft, was eine Verstärkung des Erlebens im Hier und Jetzt mit sich bringen kann (Hopf, 2020) und was den Ansatz des impliziten Gedächtnisfokus vermutlich noch zusätzlich unterstützt.
„Meine Ressource“
Diese Übung startet mit einer Flip-Chart-Vorstellung von 15 Ressourcen, die u. a. bei zufriedenen Menschen als Hauptressourcen beschrieben werden: Selbstfürsorge (-wirksamkeit), Achtsamkeit, Zuversicht, Solidarität, Kreativität, Optimismus, Reflektiertheit, Kontaktfähigkeit, Lebenssinn, (Selbst-) Akzeptanz, Gelassenheit, Offenheit, Genussfähigkeit, Humor und Begeisterungsfähigkeit. Im Anschluss wurden die Teilnehmerinnen animiert, sich eine der aufgelisteten Ressourcen auszuwählen oder selbstständig eine eigene zu benennen und diese künstlerisch, bei freier Materialwahl, zu gestalten. Die Oberfläche der gestalteten Ressource „Integrität“ von Teilnehmerin „X“ wird ihrerseits im Anschluss an die Gestaltung als unscheinbar, nicht auffällig, nicht schillernd, sondern neutral und nicht riesig beschrieben. Es symbolisiert für sie etwas ganz Bodenständiges, ist rein, weiß und stark, und alles was man darauf wirft, perlt runter. Des Weiteren fügt sie in der Gruppenbesprechung den Spruch „Integrität ist, das Richtige zu tun, selbst wenn keiner hinguckt“ hinzu.

Sie ist sich ihrer vorhandenen Ressource zwar bewusst, erklärt jedoch in dem themen- zentrierten Interview:
„… es gibt Ton, das ist Stein, das ist bodenständig, das kann nicht so einfach umgepustet werden … diesen Sicherheitsanker zu haben, also das ist mir wirklich nachhaltig im Gedächtnis geblieben.“
Die Erkenntnis der umgesetzten „Hilfe zur Selbsthilfe“ über die Bewusstwerdung durch das entstandene Werk wird hier über die Visualisierung und Verbalisierung wertschätzend angenommen. Die bereits angelegte Ressource wird in der Tonskulptur manifestiert und kann so wünschenswerter Weise wieder besser integriert werden.
„Tinten-Trilogie“ (Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft)
Diese Übung wurde von dem Sozialkunstprojekt „simply blue“, das 2015 von Rita Eckart ins Leben gerufen wurde und weltweit große Aufmerksamkeit und Anerkennung bekommen hat, inspiriert.
Sie eignet sich, in der hier abgewandelten Form, besonders bei kleineren Gruppen. Aufgrund ihrer Komplexität wurde sie bereits im Vorfeld als „erntereich“ eingestuft, was einen erhöhten Gesprächsbedarf vermuten ließ.
Drei quadratische Blätter Papier mit den Maßen 15 cm × 15 cm werden hierfür benötigt. Begonnen wird mit dem Blatt, das die Vergangenheit repräsentiert. Dieses wird mit blauer Tinte langsam und entspannt eingefärbt. Die Gedanken sollen sich in diesem Prozess mit der eigenen Vergangenheit und den aufkommenden Bildern beschäftigen. Nach der Trockenphase der Tinte beginnt die aufdeckende Arbeit mit einem Tintenlöscher. Die Aufgabe beim ersten Blatt lautet, zentral beginnend nach außen zu gestalten und aufzudecken, also sein innerstes Vergangenes zu öffnen.
Anschließend folgt der gleiche Prozess mit dem zweiten Blatt, welches für die Gegenwart steht. Hier kann an einem selbstgewählten Punkt mit der Freilegung begonnen werden. Zum Abschluss legt das dritte Blatt, welches die Zukunft widerspiegelt, beginnend im Außen zum Zentrum hin, also sich zentrierend, Perspektiven/Wünsche frei.
Mit dieser anregenden Intervention verlassen wir den Ansatz des impliziten Denkens und widmen uns intensiv der Bewusstmachung und einer aktiven Auseinandersetzung. Mehrere Rahmenbedingungen, neben der bereits erwähnten kleinen Gruppengröße, sollten gewährleistet sein. Zum Einen sollte die Übung im fortgeschrittenen Stadium des Workshops stattfinden, da eine gewisse Stabilität der Teilnehmer_innen erforderlich ist. Zum Anderen sollte sich der/die Kunsttherapeut_in in der Blitzlicht- Runde vergewissern, dass eine gute Allgemeinstimmung herrscht. Das Bewusstsein, dass diese Übung ebenfalls schwierige Themen zum Vorschein bringen kann, die es aufzufangen gilt, sollte mit einkalkuliert werden. Deutlich wird bei den Tintenbildern von Teilnehmerin „Z“ die stark symbolhafte Visualisierung der aufkommenden Themen (Abbildungen 4–6). Die fehlende Farbvielfalt, Material- und Größenauswahl des künstlerischen Mediums wirft die Teilnehmerin auf ihre Symbolisierungsfähigkeit zurück. Starke, sich wiederholende Symbole verdeutlichen in allen drei Bildern ihre Gefühle in Bezug auf die unterschiedlichen Lebensetappen. Auch werden Wörter als Hilfsmittel zur Verdeutlichung hinzugezogen und sollen vermutlich ihre Aussagen unterstreichen. Die eigenständige Erkenntnis aus dem Tintenbild „Gegenwart“, dass sie einen Kokon zum Schutz vor zu viel Stress von Außen errichtet hat, kann über die Visualisierung eine nachhaltige Selbstwirksamkeitserfahrung sein, die bei Bedarf immer wieder in Erinnerung gerufen und wiederholt werden kann.



Abschließend und zur Untermauerung der symbolischen Kraft, die für die Teilnehmerin sehr hilfreich war, sich beziehungsweise ihre Handlungsfähigkeit besser zu sehen und zu begreifen, sei an dieser Stelle die Bedeutung des Symbols nochmals verdeutlicht:
„Die kreativitätsorientierte Arbeit mit Symbolen ist eher ein emphatisches Erklären als ein Deuten. Die Erklärung sollte vom Klienten angenommen und verstanden werden, das Symbol sollte nicht entgegen seinem aktuellen Selbsterleben gedeutet werden. Dabei kann das Symbol nicht nur etwas über den aktuellen Zustand und Prozess des Selbst aussagen, sondern auch über vergangene und gegenwärtige Objektbeziehungen.“ (Franzen, 2020)
Resumé
Der Workshop „Farbschattierungen in der Schwangerschaft“ wurde als durchweg positiv und hilfreich seitens der Teilnehmerinnen und durchführenden Kunsttherapeutinnen bewertet.
Die qualitativ erhobenen und ausgewerteten Bild- und Interviewdaten konnten anhand der komplexen Analyse aussagekräftige und detaillierte Entwicklungsfortschritte beider Teilnehmerinnen im Umgang mit ihren Themen, die zu Stress geführt haben, aufzeigen.
Der salutogenetische Umdenkprozess konnte durch die unterschiedlichen, künstlerischen Interventionen gefördert werden, indem die eigenen Lösungsansätze und Stärken der Teilnehmerinnen deutlicher in ihr Bewusstsein gerufen wurden, was aus den Reaktionen auf die Verarbeitungsprozesse und den daraus entstandenen Werken, aber auch aus der Gruppen-Nachbesprechung ersichtlich wurde. Die „erntereiche“ Bildanalyse sowie die zusätzlich geführten Gespräche lassen ebenfalls auf den positiven Gefühlsverlauf innerhalb des Kurszeitraumes schließen.
Das hat im weiteren Verlauf deutlich zu einem Gefühl der Selbstwirksamkeit bei den Teilnehmerinnen geführt, beispielsweise erkennbar an der Ressource „Integrität“ von Teilnehmerin „X“ sowie durch die Verdeutlichung der eigenen Handlungskompetenz anhand des Tintenbildes „Gegenwart“ von Teilnehmerin „Z“, sich selbst und ihr Kind schützen zu können. Dies war ein erhoffter Effekt im Vorfeld.
Die Wirksamkeit der verschiedenen Übungen wurde seitens der Teilnehmerinnen unterschiedlich bewertet. Dies verdeutlicht die Individualität der Schwangeren und die damit verbundene Themenvielfalt, unterstreicht aber auch die Notwendigkeit, insbesondere in Gruppen-Sitzungen, eine Bandbreite an diversen künstlerischen Materialien und Techniken, wie in diesem Workshop umgesetzt, bereitzustellen.
Es wird den Partizipantinnen dadurch ebenfalls ermöglicht, sie auf ihrer persönlichen „Kreativitätsstufe“ abzuholen und den Weg in individuellem Tempo, aber dennoch gemeinsam zu beschreiten.
Das Gruppengefüge wurde von Beginn an als sehr stark empfunden. Ein Grund dafür wurde in den multifaktoriellen Schnittmengen Schwangerschaft, dem (Mit-)Teilen von Ängsten und Sorgen und dem gemeinsamen kreativen Gestalten gesehen. Die Autorin vermutet, dass es für ein funktionierendes Gemeinschaftsgefühl, in dem man sich öffnen und weiterentwickeln möchte, nicht ausreicht, nur die Gemeinsamkeit „schwanger sein“ zu teilen.
Nicht nur passiver Empfänger von Informationen zu sein, sondern über aktive Handlungen zusammen einer wohltuenden Tätigkeit nachzugehen, hat den Teilnehmerinnen vermutlich ebenfalls bei ihrer Entwicklung geholfen.
Die Teilnehmerinnen haben schon während des Workshops eine gemeinsame „Chat-Gruppe“ errichtet und sich auch im Nachhinein bereits getroffen.
Von mehreren Teilnehmerinnen wurde der Wunsch geäußert, den Kurs im Anschluss weiterzuführen, was zu diesem Zeitpunkt leider nicht möglich war (Betzold, 2022).
Ausblick
Die durch diesen Workshop erbrachten Erkenntnisse lassen auf die Notwendigkeit weiterer, umfangreicherer Untersuchungen schließen. Quantitativ orientierte Forschungen könnten eine höhere Anzahl von Teilnehmer_innen generieren und somit die Aussagekraft der Wirksamkeit der Kunsttherapie im präventiven Sektor in Zusammenhang mit Stressreduktion in der vulnerablen Phase einer Schwangerschaft erhöhen.
Aufgrund der in diesem Workshop aufgezeigten Wirkweisen besteht Hoffnung, zukünftig präventive, kunsttherapeutische Hinwendungen bei schwangeren Personen zu ihrer Entlastung in das bestehende Gesundheitssystem zu integrieren, um somit ebenfalls den zu- künftigen Generationen einen unbeschwerteren Start ins Leben zu ermöglichen. Eine additive Zuwendung dieser Art zu den bereits bestehenden Standarduntersuchungen wird als sinnvoll und zukunfts-„trächtig“ angesehen und schlussfolgernd als längst überfällig betrachtet, denn zum Wohle einer gesunden Gesamtgesellschaft sollte nicht erst gehandelt werden, wenn „das Kind bereits ‚aus‘ dem Brunnen gefallen ist“ (a.a.O.).
Literatur
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Aissen-Crewett, M. (2002). Kunst und Therapie mit Gruppen (5., verb. Aufl.). Dortmund: Modernes Lernen.
Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a unifying theory of behavioral change. Psychological Review, 84(2), 191–215. doi:10.1037/0033- 295x.84.2.191
Berndt, C. (2014). Resilienz (10. Aufl.). München: dtv.
Betzold, K. (2022). Farbschattierungen in der Schwangerschaft – Inwieweit kann präventiv angewandte Kunsttherapie zu einem stressfreieren Erleben der Schwangerschaft beitragen? (Masterarbeit). Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin. Bundesministerium für Gesundheit. (2022). Präventionsgesetz. Berlin. Verfügbar unter https: //www.bundesgesundheitsministerium.de/ service/begriffe-von-a-z/p/praeventionsgesetz/?L=0
Dorn, A. & Rhode, A. (2021). Krisen in der Schwangerschaft. Ein Wegweiser für schwangere Frauen und alle, die sie begleiten (1. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.
Easwaran, K. (2020). Das Geheimnis ausgeglichener Mütter. München: Kösel.
Eberhart, H. & Knill, P. J. (2010). Lösungskunst. Lehrbuch der kunst- und ressourcenorientierten Arbeit (2., erg. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Egger, J. W. (2020). Die Einheit von Körper und Seele. Die bio-psycho-soziale Perspektive auf Krankheit und Gesundheit (1. Auf l.). Baden-Baden: Deutscher Wissenschafts-Verlag.
Franzen, G. (2020). Symbolisches Erleben. Zur Psychodynamik der Kunst. In G. Franzen, R. Hampe & M. Wigger (Hrsg.), Zur Psychodynamik kreativen Gestaltens. Künstlerische Therapien in klinischen und psychosozialen Arbeitsfeldern (S. 121–134). Freiburg i. Br.: Alber.
Fuchs, Th. (2000). Das Gedächtnis des Leibes. Phänomenologische Forschungen, Neue Folge, 5(1), 71–89.
GKV-Spitzenverband. (2020). Leitfaden Prävention. Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGB V. Berlin.
Hopf, A. (Hrsg.). (2020). Irritation als Methode. Collage in der Kunsttherapie (Reihe: Wissenschaftliche Grundlagen der Künstlerischen Therapien, Bd. 9). Berlin: HPB University Press.
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