Farbschattierungen in der Schwangerschaft
Kreative Lösungsansätze bereits vor der Geburt
Eine Schwangerschaft ist für eine schwangere Person und ihr privates Umfeld eine sehr prägende und besondere Zeit, die mit den vielfältigsten Gefühlen und Themen einhergeht.
»Wahrscheinlich kann kein anderes Lebensereignis so viele unterschiedliche, intensive und widersprüchliche emotionale Erfahrungen mit sich bringen, wie eine Schwangerschaft«
(Alder, J. & Urech, C., 2014).
Neben Vorfreude, Hoffnung und dem Gefühl puren Glücks treten häufig Stress, Sorgen, Ängste und Unsicherheiten auf, den anstehenden Herausforderungen nicht gerecht werden zu können (ebd.). Die vielfältigen, ambivalenten Emotionen und Ereignisse, die in dieser Zeit zu Tage treten, kann man metaphorisch mit einer Farbpalette vergleichen, die die unterschiedlichsten, individuellen Farbschattierungen aufweist und die sich im Schwangerschaftsverlauf fortwährend verändert und erweitert.
Die Themen einer Schwangerschaft und das daraus resultierende Gefühlschaos sind folglich multifaktoriell. Hinzu kommt, dass sich, historisch betrachtet, das ‚Erlebnis Schwangerschaft’ in den letzten 100 Jahren gravierend verändert hat. Die ungarischen Psychoanalytiker Hidas und Raffai (2021) bemerken, »…[dass] wir die erste Generation sind, die 266 Tage Einblick in den Verlauf der Schwan gerschaft bekommen« (Hidas, G. et al., 2021). Dieser, bereits von Beginn der Schwangerschaft an, tiefgreifende Einblick ins Gedeihen des Fötus, lässt einen Verlust der eigenen Intuition sowie ins Vertrauen in die Funktion des Körpers erahnen.
Eine Schwangerschaft stimuliert zudem auf einer zutiefst unbewussten Ebene die eigene pränatal erlebte Mutter-Kind-Bindung. Sie öffnet gewissermaßen das Tor zum eigenen pränatalen Symbiosetrauma (Schultze-Kraft, A., 2014). Der hinzukommende Kontrollverlust durch die unweigerliche Veränderung des Körpers, die aufkommende Unsicherheit bezüglich der eigenen Rolle in der Partnerschaft, Arbeitswelt und Gesellschaft gepaart mit einer Umstrukturierung des Hormonhaushalts zum Wohle des Ungeborenen führen häufig zusätzlich zu einer Dysbalance des Seelenlebens. Stress ist dann oft zwangsläufig eine Folge dieses Ungleichgewichts.
Die Fachliteratur weist ein beeindruckendes Ausmaß an Inhalten bezüglich Stress und seinen Auswirkungen im Allgemeinen, sowie explizit im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft auf. Hans Selye, „Vater der Stressforschung“, Endokrinologe und Vertreter des Biologischen Stressmodells bezeichnet jeden Faktor, der Stress erzeugt, als Stressor. Stressoren können ganz unterschiedlich geartet sein, egal ob angenehm oder unangenehm, also ob Eu- oder Distress, lösen sie zunächst im Wesentlichen immer die gleichen biologischen Stressreaktionen aus (Selye, 1977). Um die dahinter stehenden, komplexen Vorgänge zu verstehen, sollte die Stressdosis, die sich nach unterschiedlichen Parametern richtet, in diese Ausführungen
integriert werden.
Einerseits beinhaltet die Stressdosis die Häufigkeit, Vielfalt, Dauer und die Intensität der Stressoren, die auf den Organismus einwirken. Auf der anderenSeite wird der individuelle Umgang, also die persönliche Einstufung, ob der Stress als bedrohlich, überfordernd und/ oder überwindbar bewertet wird, mit einberechnet (Wagner-Link et al., 2017).
Im alltäglichen Kontext liegt der Fokus bei Stress auf der psychosozialen Belastung, die durch Situationen hervorgerufen wird, die Störungen, Irritationen und Ängste auslösen und die dadurch zu einer Beeinträchti gung des psychischen und physischen Wohlbefindens führen (Plaumann, M. et al., 2005/2006).
Einteilen kann man die Stressreaktionen und ihre Auswirkungen auf den Organismus in drei Kategorien:
- Sofortige Reaktionen vieler beteiligter Organe
- Verzögerte Reaktionen
- Chronische Auswirkungen
In der Regel dauert eine Schwangerschaft neun Monate, genug Zeit also, aufkommenden Stress zu chronifizieren. Geht beispielsweise zusätzlich noch eine verlängerte Kinderwunschzeit voran, potenziert sich die Wahrscheinlichkeit einer dauerhaften Schädigung des Körpers und der Psyche.
Schädigungen, die aus diesem dauerhaft erhöhten Stresslevel und der daraus resultierenden Erhöhung des Cortisolspiegels entstehen, können von Erschöpfung bis hin zu Depressionen reichen. Die gedrosselte Blutversorgung im Magen-Darmbereich
macht die Schleimhaut anfällig für Geschwüre, die Elastizität der Blutgefäße lässt nach und verursacht dadurch eine dauerhafte Schwächung des Immunsystems (Wagner-Link et al., 2017).
Jüngere, aber nicht weniger bedeutende Erkenntnisse bezüglich Stress und seiner Auswirkungen gibt es mittlerweile ebenfalls auf zellulär molekularer Ebene. Die Stressforschung rückt die Epigenetik mit ihren relevanten Erkenntnissen immer weiter in
den Vordergrund.
In der vulnerablen Zeit der Embryonal-, Fetal- und auch Neonatalphase kann es nämlich durch verschiedene mütterliche Einflussfaktoren zu epigenetischen „Fehlprogrammierungen“ bei ihr und ihrem/n Ungeborenen kommen, von denen ebenfalls die Gonaden (übernächste Generationen) betroffen sein können (Brune, B. & Brune, T., 2017).
Die Interaktion der werdenden Mutter mit ihrer Umgebung steht demnach in direktem Zusammenhang und entscheidet vermutlich zum Teil darüber, ob und wie sich das genetische Potenzial entwickelt, welche Ausprägung eventuell blockiert oder aktiviert wird (Janov, A., 2012).
Anzunehmen ist, dass das, was wir für ererbt halten, die Summe der vorgeburtlichen Erfahrungen sowie einer genetischen Prädisposition ist (ebd.).
Eine wichtige Erkenntnis und damit einhergehend augenscheinlich eine Trendwende weg von der passiv zu akzeptierenden Genetik hin zur aktiv mit gestaltbaren Epigenetik. Bereits in den frühen 1940er Jahren veranschaulichte das Epigenetische Landschafts-Modell des Entwicklungsbiologen Conrad Hal Waddington die Prozesse im Gehirn.

Die Kugel symbolisiert in dieser Metapher die Zelle, die immer zum Punkt des geringsten Energieaufwandes strebt. Die Pfade, die durch diese hügelige Landschaft führen, werden hierbei von den Genen aber eben auch von Umwelteinflüssen geprägt
(Waddington, C.H., 1957).
Die bisher erbrachten Erkenntnisse bezüglich der Neuroplastizität unseres Gehirns zeigen uns die Fähigkeit des Menschen auf, mit der richtigen Unterstützung durch Hilfe zur Selbsthilfe eine aktive Mitgestaltung und positive Veränderung der eigenen Gesundheit zu erlangen.
Die Zeit vor der Geburt bietet demnach eine einzigartige Chance für die Schwangere sowie ihres/r Ungeborenen bezüglich präventiver Möglichkeiten hinsichtlich psychischer, kognitiver und physischer Störungen (Hidas, G.et al., 2006).
Die Definition präventiver Zuwendungen werden wie folgt beschrieben:
Als allgemeine, soziotherapeutische und präventive Maßnahmen gelten alle nicht psychotherapeutischen Interventionen, die unter anderem die Aktivierung von intra- und interpersonellen, sozialen und materiellen Ressourcen fördern und den Umgang mit Belastungen dadurch erleichtern würden.
Im medizinischen Sinne bedeutet Prävention alle vorbeugenden Maßnahmen in der Gesundheitspflege, deren Spektrum von der Ausschaltung schädlicher Faktoren bis zur Begrenzung von Krankheitsfolgen definiert werden können (Martius, Ph. et al., 2008).
Es geht um eine aktive Mitgestaltung und Hinwendung zu objektiven und/ oder subjektiv empfundenen Missständen, um durch eine konstruktive Haltung ins selbstbestimmte Handeln zu gelangen (ebd.).
Nach all den vorangegangenen Ausführungen bezüglich Schwangerschaft, Stress und Prävention im Allgemeinen habe ich im Zuge meiner kunsttherapeutischen Masterarbeit an der Sigmund Freud PrivatUniversität einen Lösungsansatz erprobt, der zu einem stressfreieren Erleben der Schwangerschaft verhelfen kann.
Angeschlossen an die Sigmund Freud PrivatUniversität wurde unter Leitung von Psychotherapeut, Kunstpsychologe und Hochschullehrer Professor Georg Franzen, die Lehr- und Forschungsambulanz in Berlin errichtet. Es handelt sich hierbei um eine Behandlungs- aber auch Forschungseinrichtung, die unter anderem die kunsttherapeutischen Wissenschaften und Professionen vorantreibt. Professor Franzen ermöglichte durch seine positive Zusage, dass das 8-wöchige, ambulante Workshop-Konzept ‚Farbschattierungen in der Schwangerschaft‘ in die Präventions-Kursliste der Ambulanz integriert und im Atelier der Universität umgesetzt werden konnte.
Bereits 2019 hat die WHO einen Bericht vorgelegt, in dem die Rolle der Künste bei der Verbesserung der Gesundheit und des Wohlbefindens als bewiesen beschrieben werden. Wichtig hierbei ist zu verstehen, dass es weniger um das Endprodukt als vielmehr um den Schaffensprozess an sich geht (Fancourt, D., 2019).
Eine 2017 durchgeführte Studie kommt weiter zu dem Ergebnis, dass es nicht allein die Kunst ist, die zu dem erwünschten Ziel der Selbstwirksamkeit, Selbsteinschätzung sowie der positiven Stimmung beiträgt, sondern diese erst im Zusammenhang mit einer durch eine/n Kunsttherapeut*in angeleitete Sitzung ihre volle Wirksamkeit entfalten kann (Kaimal, G. et al., 2017).
Insbesondere die Vielfältigkeit der kreativen Materialien in der kunsttherapeutischen Arbeit bietet den effektiven Mehrwert, die unterschiedlichen Bedürfnisse, im Suchen und Finden von kreativen Lösungswegen individuell zu beschreiten.
Über die Verbildlichung, Symbolisierung und Farbe kann ein spürbarer, sinnlicher Zugang zu den eigenen Ressourcen geschaffen werden. Es geht dabei weder um Leistungsdruck noch um Optimierung, sondern um eine indirekte Erkenntnis, die direkt über den Körper und die Gefühle erlebbar wird und zur Stärkung der Resilienz und Selbstwirksamkeit verhelfen soll.
Der Workshop orientiert sich unter anderem an den, im „Leitfaden Prävention“ des GKV-Spitzenverbands festgesetzten Richtlinien.
Für wichtig erachtete Parameter sind unter anderem:
I. Austausch/ Solidarität
➤ Ein Gruppengefüge von 4 bis maximal 8 Teilnehmerinnen kann inspirierend sein und als Katalysator dienen, sich verborgener Talente wieder bewusst zu werden und sie im besten Fall zu (re-) aktivieren. Vermutlich ist es dabei hilfreich, auf Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen, beziehungsweise ähnlichen Lebensumständen zu treffen und sich gegenseitig zu unterstützen (Aissen-Crewett, M., 2002). Gruppenarbeit wird laut Aissen-Crewett als häufig befriedigender empfunden als Einzelarbeit. Auch beschreibt sie, dass eine geschlossene Gruppe von einer gewissen Homogenität einen größeren Erfolg verspricht (ebd.).
II. Lauf- und Uhrzeit
➤ Zur besseren Implementierung und Verfestigung der Verhaltensänderung wurde eine Laufzeit von 8 Wochen festgelegt. Regelmäßig einmal wöchentlich trafen wir uns für 90 Minuten im Atelier der Sigmund Freud PrivatUniversität zu abendlicher Stunde, um ebenfalls den berufstätigen Schwangeren die Möglichkeit einer Teilnahme zu bieten.
III. Zielsetzung
➤ Aktivierende und stärkende Maßnahmen über das Medium Kunsttherapie sollen den Umgang mit den bewussten und unbewussten Herausforderungen und Veränderungen, die eine Schwangerschaft und Geburt mit sich bringen kann, erleichtern und die schwangere Person dabei unterstützen, einen positiven Umgang entwickeln zu können. Des Weiteren soll somit ein Autonomiegefühl entstehen, welches die Fähigkeit verdeutlicht, selbstbestimmt Einfluss nehmen zu können. Das zum Teil lähmende Gefühl der Hilflosigkeit, bestimmte Gegebenheiten wie Gewichtszunahme, hormonelle Veränderungen etc. nicht beeinflussen zu können, soll durch Aufzeigen der partizipatorisch veränderbaren Parameter und Integration der (wieder-) entdeckten eigenen Ressourcen abgemildert werden und so zu einem stressfreieren Erleben der Schwangerschaft beitragen.
IV. Wissenschaftliche Auswertung mittels MDBF
➤ An dieser Stelle soll die Integration des quantitativen Messinstruments, dem Mehrdimensionalen Befindlichkeits-Fragebogen von Steyer, kurz MDBF, der seitens der SFU zur Verfügung gestellt wurde, Erwähnung finden. Aufgrund der geringen Teilnehmerinnen-Anzahl wurde dieses Messinstrument zwar durchgeführt allerdings nicht in die Auswertungen der Masterarbeit integriert. Es könnte jedoch zukünftig die Möglichkeit bieten, wissenschaftliche Nachweise über eine Optimierung des Wohlbefindens einer größeren Anzahl von Workshop- Teilnehmerinnen zu generieren.
V. Grundgerüst
➤ Zur Einleitung des ersten sowie des letzten Workshoptages wurde anhand einer geleiteten, zehnminütigen Visualisierungsmethode ein erleichterndes und intensiveres Eintauchen in die Welt der Farben erhofft, um im Anschluss daran, anhand der PANTONE® Postkarten, eine erweiterte Fortführung der Auseinandersetzung des Themas „Farben“ anzuknüpfen. Der sanfte Einstieg in die eigene Gefühlswelt wurde über die Assoziation mit Farben erhofft. Nach dem tiefenpsychologischen Ansatz von C.G. Jung vermutet Ingrid Riedel die Verknüpfung einer bestimmten Farbe mit einer Emotion (Riedel, I., 1983). Die ‚Imagination’ soll durch gezieltes Einatmen von Farben und deren bewusstes „Durchfließen“ des gesamten Körpers die Visualisierung verstärken und so den Zugang zu den unbewussten Gefühlen erleichtern. Am Ende der ‚Farb-Körperreise‘ wird eine vorherrschende Farbe, die für diesen Moment passend erscheint, benannt und im weiteren Verlauf durch die bereits ausgebreiteten 100 Postkarten ausgewählt. Es wird angeregt, die gewählte Farbe mit einem aktuell vorherrschenden Gefühl zu assoziieren und dieses zu benennen. Anhand des formulierten Gefühlsbegriffs werden die Teilnehmer*innen animiert, ein „Elfchen“ oder „Haiku“ zu verfassen, mit dem Ziel, ihr Gefühl auf diese Weise zusätzlich auf eine kognitive Ebene zu heben. Da die, auf der Farbseite gedruckten Farbbezeichnungen, zum Teil als störend empfunden wurden, entschieden sich die Teilnehmerinnen, die Postkarten im Anschluss zusätzlich zu collagieren.

Die Interventionen greifen thematisch ineinander, um eine persönliche Weiterentwicklung der Klient*innen zu begünstigen. Um jedoch flexibel auf unvorhersehbare Vorkommnisse reagieren zu können, wurden einzelne Übungen austauschbar gestaltet, um sie an die, unter Umständen variierende Gruppengröße, anpassen zu können, denn eine so vulnerable Lebensphase kann des Öfteren auch unvorhersehbare Ereignisse mit sich bringen. So erlitt beispielsweise Teilnehmerin ‚A‘ in der vierten Workshop-Woche eine Fehlgeburt und musste aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes ihre Teilnahme beenden.
Im Nachgespräch berichtete sie mir, dass ihr bereits mehrere Übungen aus den ersten Workshop-Wochen geholfen haben, einen kreativen Umgang mit ihrem Verlust zu finden.
So nutzte sie die Übung ‚Buchseite-Initialen’, um einen Abschiedsbrief zu verfassen. Die Übung dient der Identitätsfindung und soll die Selbstakzeptanz fördern. Diese Form des ‚Kreativen Schreibens‘ kann als alltägliches, vertrautes Kommunikations- mittel den bildnerischen Ausdruck komplettieren und ihm eine komplexere Dimension verleihen. Es fördert ebenfalls das Schärfen aller Sinne. Möchte man etwas tiefgreifend beschreiben, erfordert dies die intensive Auseinandersetzung mit dem Riechen, Schmecken, Fühlen, Hören und Sehen und fördert somit die Achtsamkeit und persönliche Weiterentwicklung.

Auch ist wissenschaftlich belegt: Mittels ‚Kreativem Schreiben‘ werden die Herzfrequenz und somit der Blutdruck gesenkt, entspannen sich die Muskeln und eine Minderung des Stressempfindens tritt ein!
In der Ressourcen-Übung an Tag drei wählte Teilnehmerin ‚A‘ die ‚Zuversicht‘ als ihre vorhandene Stärke. Bei freier Materialwahl konnten sich die Teilnehmerinnen hierbei ohne Einschränkungen voll und ganz auf das Thema ‚meine größte Ressource‘ fokussieren. Teilnehmerin ‚A‘ wählte ein großes Format (DINA A1) auf welchem sie mit Acrylfarbe und Spachtel arbeitete. Die Farben rot/ pink dominieren, gemischt mit dem gelb ‚des Hoffnungsschimmers/ der Zuversicht‘ ergibt sich ein orange, ähnlich der Farbe der Buchseite. Das dunkle grün auf der linken Seite des Bildes greift das ‚Moosgrün‘ ihrer Pantone Farbkarte von Tag eins auf. Der ‚fruchtbare’ Boden, den sie an Workshop-Tag eins auf ihrer Postkarte beschreibt, könnte symbolhaft für das ‚Dilemma’ stehen, immer wieder eine Frucht in sich zu tragen, diese jedoch auch immer wieder frühzeitig zu verlieren. Die rechte Seite, symbolhaft für die Zukunft, bleibt zum Teil unberührt und offen. Offen, was noch kommt? Offen, welche weiteren Farben sich im Verlauf zeigen? Eine Verknüpfung ihrer Geühlswelt mit der Welt der Farben ist erkennbar, wiederkehrende Farbnuancen könnten auf eine gelungene Selbst-Identifikation hindeuten, die auf bildnerische Weise noch mehr in ihr Bewusstsein dringt. Dies kann, insbesondere in Krisensituation, eine wichtige und hilfreiche Ressource sein.

Nach eigenen Aussagen der Teilnehmerin ist die Zuversicht eine beständige Konstante in ihrem Leben auf ihrem weiteren Weg zum leiblichen Wunschkind geworden.
Abschliessend, alle Teilnehmerinnen betreffend, erschien das Aufspüren und die Verbildlichung der zur Belastung geführten Themen und die Akzeptanz, dass der vorhandene Stress nicht vollständig ausgeschaltet werden kann, als sehr wichtig und hilfreich. Körperliche Veränderungen sowie soziale Gegebenheiten wurden in gewissem Umfang akzeptiert und stattdessen der Fokus auf die vorhandenen Ressourcen gelegt. Dieser salutogenetische Umdenkprozess wurde durch die unterschiedlichen, künstlerischen Interventionen gefördert, indem die eigenen Lösungsansätze und Stärken der Teilnehmerinnen deutlicher in ihr Bewusstsein gerufen wurden, was aus den Reaktionen auf die Verarbeitungsprozesse und den daraus entstandenen Werken, aber auch aus der Gruppen-Nachbesprechung ersichtlich wurde.
Meinem großen Wunsch und Ausblick meiner Masterarbeit, diese wertvolle Arbeit in das Gesundheitswesen zu integrieren, bin ich dank der aufopferungsvollen und zeitintensiven Unterstützung der Sigmund Freud Privat Universität vor Kurzem ein Stück näher gekommen.
Mit Zertifizierung des Kurses ‚Multimodales Stress- und Ressourcenmanagement durch Förderung von Stressbewältigungskompetenzen mit Hilfe von kreativen Interventionen‘ an der Zentrale Prüfstelle Prävention haben sich die kunstbasierten, kreativen Lösungsmethoden die Anerkennung und somit einen Platz im Gesundheitswesen verdient. Die Wichtigkeit, die Kunsttherapie in diesem Bereich beglaubigen zu lassen, ohne sie aufgrund der fehlenden ‚therapeutischen Komponente‘ zu verflachen, war die komplizierte Aufgabenstellung, die durch Beharrlichkeit und den festen Glauben an die Wirksamkeit der präventiv orientierten Kunsttherapie nun Wirklichkeit geworden ist.

Literaturliste
Aissen-Crewett, M. (2002). Kunst und Therapie mit Gruppen. (5.verbl. Aufl.). Verlag Modernes Lernen
Alder, Judith & Urech, Corinne (2014). Psychotherapie in der Frauenheilkunde. Hogrefe Verlag
Fancourt, D. & Finn, S. (2019). Was sind die Beweise für die Rolle der Künste bei der Verbesserung von Gesundheit und Wohlbefinden? Ein Scoping-Bericht. Health Evidence Net- work Synthesebericht 67
GKV-Spitzenverband (2020). Leitfaden Prävention. Handlungsfelder und Kriterien nach § 20 Abs. 2 SGB V.
Hidas, G., Raffai, J. & Vollner, J. (2021). Nabelschnur der Seele. Psychoanalytisch orientierte Förderung der vorgeburtlichen Bindung zwischen Mutter und Baby. (3. Auflage). Psycho- sozial-Verlag
Janov, A. (2012). Vorgeburtliches Bewusstsein. Das geheime Dreh- buch, das unser Leben bestimmt. Scorpio Verlag GmbH & Co. KG Kaimal, G., Mensinger, J. L., Drass, J. M. & Dieterich-Hartwell, R. M. (2017). Kunsttherapeut-erleichtertes offenes Studio gegen Färbung: Unterschiede in den Ergebnissen von Wirkung, Stress, Kreativagentur und Selbstwirksamkeit.
Canadian Art Therapy Association Journal, 30(2), 56-68. doi: 10.1080/08322473.2017.1375827
Martius, Ph, von Spreti, F. & Henningson, P. (2008). Kunsttherapie bei psychosomatischen Störungen. (1. Auflage). Urban & Fischer Verlag
Plaumann, M., Busse, A. & Walter, U. (2005/2006). Grund- lagen zu Stress. In: KKH Kaufmännische Krankenkasse (Hrsg.). Stress? Ursachen, Erklärungsmodelle und präventive Ansätze. Springer Medizin Verlag
Riedel, I. (1983). Farben in Religion, Gesellschaft, Kunst und Therapie. (1. Auflage). ©️ Kreuz Verlag
Selye, H. (1977). Stress. Lebensregeln vom Entdecker des Stress- Syndroms. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH
Schultze-Kraft, A. (2014). Mütterliche Ambivalenz in der Schwangerschaft. In: Ruppert, F. (Hrsg.) Frühes Trauma. Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensjahre. Klett-Cotta
Steyer, R., Schwenkmezger, P., Notz, P. & Eid, M. (1997). Der Mehrdimensionale Befindlichkeitsfrageboden (MDBF). Handanweisung. Hogrefe, Verlag für Psychologie
Waddington, C.H. (1957). The Strategy of Genes. George Allen & Unwin LTD
Wagner-Link, A., Hohlweg, K. & Frobeen, A. (2017). Stress. Belastungen besser bewältigen. tk-broschuere-stress-data.pdf
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